23. Oktober 2022
Liebe Gemeinde,
am vergangenen Sonntag wurde des Thema Beten im Evangelium zu einem Hauptthema. An diesem Sonntag wird es fortgesetzt. Während es am letzten Sonntag um die Notwendigkeit des Betens überhaupt ging, so geht es an diesem Sonntag um die rechte Haltung des Gebetes. Jesus stellt uns zwei Beispiele von Betern dar und kommentiert diese. Der Pharisäer, der sich uns ein Beten in den Vordergrund stellt, damit jeder sieht welch hervorragender Mensch er ist. Und der Zöllner, der sich in die letzte Reihe stellt und lediglich um Barmherzigkeit bittet. Jesus hat eine klare Meinung zu den beiden Haltungen: Der Zöllner geht gerechtfertigt nach Hause – der andere nicht. „Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, wer sich aber selbst erniedrigt, wird erhöht werden, “ so sagt Jesus im heutigen Evangelium.
Zum Schluss möchte ich Ihnen 15 Regeln fürs Gebet mitgeben, die Fulbert Steffensky, emeritierter Religionspädagoge, einmal aufgeschrieben hat:
1. Entschließe dich zu einem bescheidenen Vorhaben auf dem Weg des Gebets! Es gibt das Problem der Selbstentmutigung durch zu große Vorhaben.
2. Sei nicht gewaltsam mit dir selbst! Kümmere dich nicht darum, ob du auch wirklich andächtig bist. Bete und überlass die Ganzheit deines Gebetes Gott!
3. Gib dem Gebet eine feste Zeit. Bete nicht nur, wenn es dir danach zumute ist, sondern wenn es Zeit dazu ist.
4. Gib deinem Gebet einen festen Ort! Der Ort hilft dem Geist, zu sich selber zu finden.
5. Sei streng mit dir selber! Mache deine Gestimmtheit und deine Augenblicksbedürfnisse oder deine augenblickliche Unlust nicht zum Maßstab deines Handelns!
6. Sei nicht auf Erfüllung aus, sei vielmehr dankbar für die geglückte Halbheit! Gib nicht auf, nur weil dein Gebet nur halb gut ist!
7. Rechne nicht damit, dass dein Gebet ein Seelenbad ist. Das Gefühl innerer Erfülltheit rechtfertigt das Beten nicht, das Gefühl innerer Leere verurteilt es nicht.
8. Verliere über deinem Misslingen den Humor dir selbst gegenüber nicht! Auch die Niederlage ist unsere Schwester und nicht nur unser Todfeind.
9. Fang bei deinem Versuch nicht irgendwie an! Baue dir eine kleine Liturgie, die dir geläufig ist und die dich vor unnötigen und kräftezehrenden Entscheidungen bewahrt!
10. Setze den Texten und Bilden nichts entgegen. Versuche sie nicht zu füllen mit deiner gläubigen Existenz! Überliefere dich ihrer Kraft und lass dich von ihnen ziehen!
11. Erinnere dich daran, dass die Psalmen das Gottesgespräch unserer Toten sind! Erinnere dich daran, dass du nicht Erster bist, sondern eintrittst in ihren Jubel und in ihren Schrei!
12. Lerne kurze Formeln aus dem Gebets- und Bildschatz der Tradition auswendig! Wir verantworten ihren Inhalt nicht. Wir sprechen sie mit den Zungen unserer toten und lebenden Geschwister.
13. Haste nicht beim Gebet! Bete kurz, langsam, in so viel Ruhe, wie du aufbringen kannst! Und wenn dir das Schweigen ohne innere Unruhe gelingt, ehre es!
14. Bete mit Humor deine Gebete in das Geschrei deiner Kinder und in das Rattern des Zugs, der gerade vorüberfährt. Vielleicht machst du damit auch diesen Lärm zu einem Gebet.
15. Erinnere dich ständig an den Satz aus dem Römerbrief (Röm 8, 26): „Der Geist hilft unserer Schwachheit auf. Denn wir wissen nicht, wie wir beten sollen, wie sich’s gebührt. Der Geist tritt für uns ein mit unaussprechlichem Seufzen.“
Eine gute Woche wünscht Ihnen
Ihr Pastor Markus Thoms