In diesen Tagen macht das Wort vom „Maß und Mitte bewahren“ die Runde. Mal klingt es besorgt, mal beschwörend, mal aufmunternd, mal beruhigend. Mal ist es ein Appell an die Vernunft und den Gemeinschaftssinn – auf jeden Fall klingt es gut und richtig.
Die große Frage ist nur: Wer oder was ist die Mitte? Wer setzt das Maß? Wer bestimmt hier Maß und Mitte?
Erleben wir nicht beinahe Tag für Tag, dass vieles aus den Fugen geraten ist? Zerwürfnisse und Spaltungen zwischen Ost und West tun sich in unserem eigenen Land auf, tiefe Gräben zeigen sich unter den Ländern innerhalb Europas. Im Rest der Welt sieht es nicht anders aus. Von Maß und Mitte kann wohl kaum die Rede sein.
Da sind die einen, die in der gegenwärtigen Situation Solidarität üben, Verbundenheit suchen und pflegen unter schwierigen Bedingungen und ganz viel Liebe, Anteilnahme und Zuwendung verströmen.
Auf der anderen Seite spült die Corona-Krise an die Oberfläche, was unter der Fassade schlummert: Argwohn, Furcht voreinander, Misstrauen und Missgunst, Rückzug in die eigenen vier Wände. Wir alle können feststellen, dass in unserer Welt das Verstehen und die Gemeinschaft der Menschen untereinander oft oberflächlich und schwierig sind. Nicht selten kommt es zu Konflikten, in Familien, Nachbarschaften, Parteien und Gesellschaften.
Gibt es wirklich diese Mitte, die Einheit stiftet, wo Zwietracht herrscht, die Versöhnung schenkt, wo Streit ist, die Hoffnung weckt, wo Verzweiflung droht, die Verbindung schafft, wo Abgründe sich auftun?
Nach dieser Mitte sehnt sich jeder Mensch – bewusst oder unbewusst. Für uns Christen ist diese Mitte eine lebendige Person. Sie hat ein Gesicht: Jesus Christus. Sein Maß ist die Liebe ohne Maß. Das wird an Pfingsten offenkundig. „Einheit kann nur sein durch die Gabe des Geistes Gottes, der uns ein neues Herz und eine neue Sprache geben wird, eine neue Fähigkeit der Kommunikation“ (P. Benedikt XVI.), wo ein Wort hält, was es verspricht.
Ein Blick in die Heilige Schrift führt uns mitten unter die versammelten Jünger, die zusammen mit den Frauen und Maria um den Heiligen Geist bitten und flehen. Hier, wo sich kein Wortführer mehr in den Vordergrund schiebt, wo der Streit um die ersten Plätze verstummt ist, hier wo auch Petrus zu seiner Wankelmütigkeit steht und wo alle ihre leeren Hände und offenen Herzen hinhalten, da wo ein jeder ganz empfangend ist – so wie Maria. Da kann sich die ganze Fülle Gottes ergießen. Da kann der Himmel die Erde berühren.
„An jenem Morgen, fünfzig Tage nach Ostern, bläst ein Sturmwind über Jerusalem, und die Flamme des Heiligen Geistes kommt auf die versammelten Jünger herab, lässt sich auf jedem von ihnen nieder und entzündet in ihnen das Feuer Gottes, ein Feuer der Liebe mit verwandelnder Kraft.
Die Furcht schwindet, das Herz spürt neue Kraft, die Zungen lösen sich und sie beginnen freimütig zu sprechen, damit alle die Verkündigung Jesu Christi, der gestorben und auferstanden ist, verstehen können. Wo Spaltung und Fremdheit war, wächst an Pfingsten Einheit und Verständnis.“ (P. Benedikt XVI.)
Pfingsten ist die Umkehrung des Turmbaus zu Babel. Pfingsten ist die Geburtsstunde der Kirche – nicht als Institution, nicht als imposantes Bauwerk, sondern als eine lebendige Gemeinschaft von Menschen, die für Christus brennen und sich vom Geist Gottes bewegen lassen. Das Pfingstgeheimnis ist die Taufe der Kirche, ein Ereignis, das bindet, sendet und bleibt.
Pfingsten ist nicht ein einmalig-abgeschlossenes Ereignis. Es ist kein Highlight und dann ist Schluss. Pfingsten ist ein von Gott selbst eingerichtetes Dauerabo, seine Kirche stets neu mit der Kraft des Heiligen Geistes zu erfüllen.
Die Mitte und das Maß sind hier im Abendmahlssaal von Pfingsten, hier schlägt das Herz Gottes für seine Menschen egal welcher Sprache, Hautfarbe oder Nation.
Wo Gott seine Gaben schenkt, da wird nicht geknausert, sondern geklotzt. Dieser Heilige Geist bringt mit sich eine Fülle von Gaben: die Gabe der Weisheit und Einsicht, des Rates und der Stärke, der Erkenntnis, der Frömmigkeit und der Gottesfurcht. Wie nötig sind diese Gaben heute!
Und nicht zu vergessen die Früchte des Geistes, die da sind: Liebe, Freude, Frieden, Güte, Sanftmut, Selbstbeherrschung, Langmut und Treue.
Ein verheißungsvolles Dauerabo! Schon gebucht?
Maria Plog, Pastoralreferentin